Osmose

Wir haben uns entschlossen auch auf dieser Seite eine längere, etwas Internet-untypische Abhandlung über Osmoseschäden auf Yachten zu veröffentlichen.
Immer wieder erreichen uns Anfragen zu dem Thema und so soll dieser Artikel helfen das Erkennen von Osmoseschäden zu vereinfachen.

Gedacht sind diese Zeilen für Bootskäufer mit oder ohne Vorkenntnis aber auch für Bootsbesitzer die ihr Schiff aus einem anderen Blickwinkel betrachten möchten. Vermitteln möchten wir Kenntnisse, die dazu führen, Osmose fundierter beurteilen zu können, um dann zu entscheiden, ob gutachterlicher Rat erforderlich wird oder ob die Dokumentation des Schadens eventuelle Rechtsansprüche gegenüber eines Verkäufers zu untermauern.

Um die Zusammenhänge richtig zu verstehen, befassen wir uns zunächst mit der Produktion einer Kunststoffyacht.

Was kostet so eine stäbige Motoryacht?

Die Produktion

Fast alle GFK-Yachten die auf unseren heimatnahen Gewässern schaukeln sind Serienschiffe.

Das heißt sie wurden so oft gebaut, dass sich vor der eigentlichen Produktion die Herstellung eines Werkzeuges lohnte, mit dem man alle Schiffe der Serie möglichst schnell bauen konnte. Dieses Werkzeug ist eine Bauform, auch Negativform genannt. Negativ, weil diese Form nicht ein Boot abbildet, sondern nur den Abdruck eines Bootes. Ähnlich einer Gießform beim Bleischmelzen oder Puddingformen. Allerdings wird mit der Bauform kein Boot gegossen, sondern nur der dünne Teil der Außenhaut in Form gebracht. Das geschieht dadurch, dass Glasfasern in die Form eingelegt und anschließend mit dünnflüssigem, mit Härter vermischtem Polyesterharz getränkt werden.

Nach dem Aushärten des Harzes behält der Verbund zwischen Glasfaser und Harz eine feste Struktur, die die äußere Hülle des Schiffes abbildet. Das klingt sehr einfach, was es im Prinzip auch ist, doch im Vergleich zu dem Baumaterial Stahl oder Aluminium ist die geformte Außenhaut nicht von homogener Struktur.

Betrachten wir ein paar Problembereiche genauer:

Ein Deck wird laminiert

Der Faktor Mensch

Vom Beginn des GFK-Bootsbaus an, also den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bis heute, ist die Produktion eines Bootsrumpfes überwiegend Handarbeit. Handarbeit, die sich auf den meisten Werften dadurch auszeichnet, dass man das relativ simple Glasfaser Tränken, auch Laminieren genannt, angelernten und schlecht bezahlten Hilfskräften überlässt. So arbeiten an einer Negativform große und kleine, kluge und dumme, sorgfältige und schnelle, kräftige und schwache Arbeiter nebeneinander. Auch wenn der Bootsbaumeister die Anforderung der Geschäftsleitung umzusetzen versucht, nämlich ein möglichst gutes Boot in einer definierten Zeit zu bauen, spätestens bei der ausführenden Hand führt das zu einer differenzierten Arbeitsweise und damit zu einem unterschiedlichen Ergebnis. Nach dem Einspritzen oder Streichen der äußeren Harzschicht, dem Gelcoat, fängt die Teamarbeit beim Einlegen und Tränken der Glasfasermatten an. Sie sollten möglichst gerade liegen, nicht knittern, an den Stößen in einem definierten Abstand überlappen und so übereinander gelegt werden, dass Lage für Lage sorgfältig getränkt wird. Die Güte des Handlaminates wird dabei dadurch bestimmt, dass es beim Vernetzen mit der Laminierwalze möglichst gut komprimiert wird. So wird das Harz kräftig in die Glasfaser eingewalkt und Luft und Gase aus dem Verbundmaterial herausgedrückt.
Das ganze passiert in einer genau definierten Zeit. So beträgt die Topfzeit eines Polyesterharzes nur 25-35 Minuten. In dieser Zeit muss also ein in einem Topf oder Eimer angerührtes Harz verarbeitet werden, sonst fängt es an, seine Konsistenz zu verändern. Es wird dickflüssiger, geliert und dann, unter Entwicklung großer Reaktionswärme, wird es ganz plötzlich hart.

Größerer Betriebe arbeiten mit „Laminiermaschinen“. Das Harz und der Härter werden in einer Lanze vermischt an deren Ende eine Laminierrolle befestigt ist. Diese Rolle wird dann mit dem Harz/Härtergemisch vernetzt, so dass der Arbeiter immer frisches Harz zur Verfügung hat.

Trotz alledem bleibt die Problematik, dass das Harz in der Bauform vom Augenblick des Einbringens an zu härten beginnt. Wenn man zum Beispiel mit nur wenigen Leuten anfängt das Schiff von vorne nach achtern zu laminieren und dieser Vorgang zwei Stunden dauert, dann wird man bei einer Kontrolle am Ende des Prozesses im vorderen Bereich des Bootes schon teilgehärtetes Material vorfinden. Und klar, der kräftige Arbeiter kann ein Laminat leichter komprimieren, als ein schwächlicher, der Schnelle arbeitet in vielleicht weniger gehärteten Bereichen, der Kluge kann seine Arbeit richtig einteilen und behält seinen Abschnitt genau im Auge.

So ist schnell einsichtig, dass ein Boot einer Serie und sei es die Baunummer 783 nicht genau die selbe Qualität aufweist wie die Nummer 152, nein, nicht einmal wie die Nummer 782.

Und wie unterschiedlich ist ein Boot dann von einer anderen Serie oder gar von einer anderen Werft?

Ein Laminierer bei der Arbeit

Eine Laminiermaschine

Im Negativ fertig laminierter Rumpf

Die Glasfaser

Wenn ein Boot besonders fest gebaut werden soll, wird man ja, so der erste Gedanke, eine dickere Außenhaut wählen, als bei einem minderwertigeren Boot. Wird eine dickere Bordwand laminiert dauert aber der Laminierprozess länger, also auch die Zeit die das Laminat während des Bauprozesses reagiert wird länger, die Güte ist dann vielleicht gar nicht so viel besser als bei einem dünneren Laminat, was die These in Frage stellt „je dicker desto besser“.

Auch gibt es unterschiedliche Festigkeiten, je nach Glasfaserorientierung. Zumindestens ältere Yachten sind hauptsächlich aus Glasfasermatten aufgebaut. Das sind Glasfaserschnipsel, die kreuz und quer durcheinander liegen. Wenn man im Rohzustand solch eine Matte in die Hand nimmt, kann man ohne große Kraftanstrengung diese Matte kaputtreißen egal ob man sie quer, längs oder diagonal anfasst. Nimmt man dagegen ein Gewebe zur Hand, also ähnlich einer Leinwand, kann man dieses Material längs und quer nicht mehr zerreißen, diagonal zieht man nur seine Struktur auseinander. Legt man jetzt noch Gewebestränge in Diagonalrichtung dazwischen, ist dieses triaxiale Glasgelege garnichtmehr kaputtzukriegen. Klar, dass solch eine Glasverstärkung innerhalb eines Laminates ein viel festeres Schiff zum Ergebnis hat, als ein mit Glasschnipseln gebautes, obwohl das eine vielleicht doppelt oder dreimal so dicke Außenhaut aufweist.

Verschiedene Glasfaserverstärkungen in der Bootswerkstatt

Das Harz

Auch bei Laminierharzen gibt es große Unterschiede in der Qualität.

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen sei an dieser Stelle erwähnt, dass trotz großer Erfahrung im Kunststoffyachtbau auch heute noch vielfach Harze zum Einsatz kommen, die eher unter dem Gesichtspunkt der Kosten, denn der Qualitätsoptimierung eingesetzt werden. So gibt es eine große französische Werft die Mitte der letzten Dekade über mehrere Jahre mit einem schlechten Laminierharz gearbeitet hatte, die Folge war, dass ein sehr großer Prozentsatz an Yachten kurze Zeit später an Osmose erkrankte.

Für einen Bootskäufer, der nicht über ausgeprägte chemische Grundkenntnisse verfügt, bleibt es nach wie vor unmöglich die Güte eines Harzes einzuschätzen. So sagt das neuerdings gern benutzte Label „Isophtalsäureharz“ noch nicht sehr viel darüber aus, ob es auch besonders chemikalienbeständig oder wasserressistent ist. Die Harze, die im letzten Jahrhundert benutzt wurden waren überwiegend ortophtalsäuregebundene Harze. Doch auch diese Harzen weisen große Qualitätsunterschiede auf. So gibt es durchaus gute Ortophtalsäureharze die eine höhere Qualität aufweisen als schlechte Isophtalsäureharze.

An dieser Stelle wollen wir nicht tiefer in den Produktionsprozess einsteigen, in dem es noch eine Vielzahl weitere qualitätsbestimmende Faktoren gibt. Klar sollte jetzt nur sein, dass eine glatt und eben erscheinende GFK-Außenhaut nicht homogen ist und dass die inneren Qualitäten sehr unterschiedlich sein können. Das erklärt auch das Phänomen, warum das Schiff einer Werft aus einem bestimmten Baujahr gesund ist und ein anderes aus dem selben Jahr (von der selben Werft) Osmose bekommt. Ganz davon abgesehen, das unterschiedliche Werften auch unterschiedliche Qualitätsansprüche haben und hatten und deshalb einige Fabrikate häufiger von Osmose betroffen sind als andere.

Ein Harzcontainer mit Härterflaschen.

Osmose

Was ist eigentlich Osmose? Bücher sind damit gefüllt worden und fragt man zehn verschiedene Fachleute, wird man zwanzig verschiedene Antworten bekommen.

Wenn wir bei einer Yacht von „Osmose“ sprechen, ist damit nicht der chemische Prozess der Osmose gemeint, sondern die Schädigung, die durch diesen Prozess hervorgerufen wird.

Noch enger definiert sind es Osmoseblasen, die an der Oberfläche einer GFK-Struktur sichtbar werden. Um jetzt einen relevanten Schaden zu definieren, verweisen auch die erfahrenen Fachleute auf unterschiedliche Definitionen. Leider wurde bis heute nicht der genaue Festigkeitsverlustes eines spezifizierten Laminates durch einen exakt definierten Osmosebefall wissenschaftlich untersucht und veröffentlicht. So weiß man zwar, dass bei einem Osmoseschaden die Festigkeit reduziert ist, man weiß aber nicht um wie viel Prozent gegenüber einem frischen oder älteren, nicht befallenen Laminat. Ebensowenig ist sich die Fachwelt einig, was Osmose im Sinne einer Laminatschädigung ausmacht. Also, wie viel Blasen pro Quadratmeter definieren eine Schaden, wie groß muss eine Blase dafür sein. Wenn nur vier bis fünf kleine Blasen sich über ein ganzes Unterwasserschiff verteilen, hat das Schiff dann Osmose?

Blicken wir doch noch einen Schritt zurück und beschreiben den Weg zur Blasenbildung.

In dem Laminierprozess entstehen unterschiedlich verdichtete Laminatteile, die verschieden schnell ausgehärtet sind. Somit entstehen kleine Hohlräume, die den ersten Teil einer möglichen Schädigung ausmachen. In einem zweiten Schritt dringt Feuchtigkeit in diese Löcher, zum Teil durch einen osmotischen Prozess. Der Prozess entsteht dadurch, dass die Räume ein saures Medium beherbergen, dass durch Reste von Harz, dessen Zerfallsprodukte und andere Chemikalien gefüllt ist. Osmose wirkt immer dann, wenn zwei Medien verschiedenen Gehaltes an darin gelösten Stoffen durch eine halbdurchlässige Membrane getrennt sind. Die Flüssigkeit durchwandert die Membrane in Richtung saures Medium. In diesem Falle durchdringt das Wasser auf dem das Boot schwimmt das Gelcoat in Richtung saurer Bereiche. Das passiert bei jedem Polyesterboot, ist ein ganz natürlicher Prozess und sagt nichts über einen Osmoseschaden aus. Größere Hohlräume füllen sich dann mit Wasser, das sich mit der Säure verbindet. Es entsteht Platzmangel und die Flüssigkeit, die sich immer weiter ausdehnt, will mit Kraft ihren Platz erweitern. Sie dringt dabei wieder zurück, wo sie auf dem Weg dorthin elastisches Material, das Gelcoat, nach außen drückt und somit als Blase auf der Oberfläche erscheint – in diesem Falle entsteht ein Schaden. Während der osmotische Prozess des Eindringens von Wasser in kleinere Hohlräume also noch als natürlich bezeichnet werden kann, ist das Auffüllen von größeren Hohlräumen und die Verbindung mit größeren Mengen Harz- und Chemikalienresten mit anschließender Aufsprengung der Hohlräume als Schädigung anzusehen.

Schwere osmotische Schädigung

Osmoseschäden erkennen

Wir haben zwar konstatiert, dass osmotische Schädigungen grundsätzlich nicht zuverlässig aussagen, inwieweit die Festigkeit des Bootes geschwächt ist, dass sie aber grundsätzlich negativ zu bewerten sind. So ist die am häufigsten gestellte Frage beim Erwerb einer Yacht „Hat das Schiff Osmose?“. Neben einem Dutzend anderer Aspekte alleine im Unterwasserschiff – darauf kommen wir in der nächsten Folge noch zu sprechen – geht das Schreckgespenst der Osmose ungebändigt um in der weltweiten Seglerschaft. So widmen wir ihm zunächst die ihm gebührende Aufmerksamkeit, wobei wir den Begriff „Osmose“ weiter als Vereinfachung einer „relevanten osmotisch bedingten Laminatschädigung“ nutzen.

Wie also erkennt man Osmose?

Wenn jemand, der ein Schiff kaufen, will sich ein Boot anschaut, ist die Chance groß, dass das Schiff an Land steht, vielleicht auch schon lange Jahre, bestenfalls in einer Bootshalle.

Verkäufer sind – zwar nicht statistisch belegt aber der Beobachtung des Autors nach – zu mehr als 40 Prozent zu alt gewordene Wassersportler, die sich aus gesundheitlichen Gründen von Ihrem guten Stück trennen müssen, oder es sind Hinterbliebene, die aus einer Erbmasse heraus das Boot veräußern.

So steht das Schiff hoch und trocken was zunächst gut ist, weil ja nichts weiter mit ihm passieren kann, zum Aufspüren von Osmose ist es aber ein Problem.

Am einfachsten erkennt man Osmose direkt nach dem Auskranen, wenn das Wasser noch vom Antifouling tropft. Osmoseblasen werden deutlich sichtbar, die großen wie die kleinen, und wenn man gründlich schaut, wird man sie alle erfassen können. Gesetz den Fall man fotografiert sie alle, sind sie nachvollziehbar festgehalten und ein Bootseigner kann, so er nicht spontan eine Osmosesanierung durchführt, die Verwandlung seines Unterwasserschiffes in einen Blasenteppich über einen längeren Zeitraum dokumentieren.

Zu mindestens bei einer beginnenden Osmose werden sich die Blasen zurückbilden. Das fängt schon nach ein paar Minuten mit dem Antrocknen der Antifoulingfarbe an und ist einige Wochen nach dem Einlagern beendet. Als Bootseigner kann man dann noch einmal das Unterwasserschiff fotografieren. Das Prozedere kann man ein paar Saisons wiederholen und wird dann vermutlich feststellen, dass die Blasen mehr und größer werden und sich bis zum Saisonbeginn eventuell nicht mehr zurückgebildet haben. Als Gedächtnisstütze mag dann die Fotodokumentation herhalten.

Spätestens in diesem Stadium ist der Zeitpunkt erreicht, an dem man eine gründliche Sanierung einleiten muss.

Wenn aber ein Käufer, der das oben beschriebene Boot zum ersten Mal sieht, sich das Unterwasserschiff des längere Zeit an Land liegenden Bootes anschaut, wird er einen Osmoseschaden auf den ersten Blick nicht feststellen, weil ja keine Blasen da sind. Keine Blasen bedeutet also nicht keine Osmose. Angenommen der unbedarfte Mann kauft gutgläubig das blasenfreie Boot wird er im nächsten Herbst erschreckt Osmoseblasen erkennen.

Eine weitere Hürde zum Erkennen der Blasen ist dickes Antifouling. Alte Schiffe sind meist von millimeterdicken Antifoulingschichten bedeckt, die erstens eine sehr unebene Oberfläche schaffen und zweitens keinen direkten Blick auf die Oberfläche des Gelcoats erlauben. Besonders skeptisch kann auch ein Bootskäufer sein, wenn diese dicken Schichten mit einer neuen Schicht Farbe übermalt ist.

Somit lässt sich zusammenfassen, dass man zur Beurteilung eines Osmoseschadens ein Boot am Besten kurz nach dem Kranen anschaut. Wenn ein längerer Zeitraum zwischen dem Einlagern und der Besichtigung liegt, muss man besonders gründlich hingucken. Dafür ist gutes Licht erforderlich. Man achtet dabei auf kleine runde meist dunkle Verfärbungen des Antifoulings. Hat man solch eine Stelle gefunden, kann man sie mit Kreide einkreisen und nach weiteren Auffälligkeiten suchen. Wenn dann ein Dutzend Kandidaten eingekreist worden sind, kann man sich an eine genauere Untersuchung machen. Zunächst nimmt man dafür einen spitzen Gegenstand, wie einen Marlspieker oder die Ecke eines Stecheisens und drückt in die Mitte dieser Stelle. Fällt man mit dem Werkzeug dann spürbar, also 0,5-1mm oder tiefer in das Material, liegt eine Schädigung der Gelcoatschicht und des darunter liegenden Laminats vor. Wenn man sich nicht sicher ist, wie viel Druck notwendig ist um eine Vertiefung zu detektieren, kann man an nebenliegenden vermeintlich gesunden Stellen probieren und dann an den eingekreisten Stellen den Eindrückversuch wiederholen. Als nächstes kann man an den verdächtigen Stellen im Randbereich das Antifouling und einen eventuell vorhandenen Primer abschaben. Das geht mit dem beim Eindrücken verwendeten Stechbeitel ganz gut. Mit einer Lupe betrachtet man dann den Unterschied des glatten und gesunden Materials und dem kleinen Krater, den man aufgedrückt hat. Wieder ist es hilfreich direkt neben dem kleinen Krater an einer gesunden Stelle zum Vergleich das Werkzeug mit dem selben Druck einzudrücken wie er beim „Kraterbohren“ aufgewendet wurde. Wenn also ein sichtbarer Unterschied festzustellen ist, kann man davon ausgehen, dass Osmose vorhanden ist.

Eine weitere Hilfe zum Auffinden von Fehlstellen ist mit dem Licht einer starken Taschenlampe, fast parallel zur Oberfläche, das Unterwasserschiff Stück für Stück auszuleuchten. So lassen sich auch kleinste Unebenheiten aufspüren. Hat man eine verdächtige Stelle gefunden, verfährt man wie im ersten Falle.

Eine anderer Untersuchungsmethode ist das Antifouling anzuschleifen. Dafür nimmt man sich ein Stück Schleifpapier zwischen 80er und 240 Körnung und einen absolut ebenen und harten Schleifklotz und beschleift leicht die Oberfläche, am besten dort, wo man auf Grund von Verfärbungen oder Unebenheiten Grund zum Misstrauen hat. Osmoseblasen, die sich zurückgebildet haben, sind in der Regel nicht vollständig in die selbe Ebene zurückgewichen wie vor einem Schaden. Meistens bleibt eine leichte Unebenheit zurück, die in dem sich abzeichnenden Schleifbild sichtbar wird. Auch hier arbeitet man dann wieder mit dem Stechbeitel nach.

Wenn auf diese Art Krater entdeckt werden, die deutlich nachvollziehbar tiefer als einen Millimeter reichen und wenn mehr als ein Dutzend solcher Krater pro Quadratmeter gefunden werden, dann kann man von einem eindeutigen Osmoseschaden sprechen.

Aber es gibt auch Schädigungen die nicht rund oder oval als Krater oder Blase auftreten sondern das Gelcoat als Placke direkt von der Oberfläche des Laminats gelöst haben. Sie haben oftmals osmotische Ursachen, teilweise deuten sie aber auch von Verarbeitungsfehlern beim Bau oder auf eine schon einmal geflickte Stelle hin. Man erkennt sie ähnlich wie oben beschrieben. oder beim Abklopfen des Unterwasserschiffes, wie weiter unten beschrieben.

Schiff seit kurzem an Land, aus dem Kiel rinnt Wasser, Osmose?

Laminatfeuchte

Als weiteres Hilfsmittel steht eine Feuchtemessung zur Verfügung. Viele Amateursachverständige hängen dem Irrtum nach, damit eine eindeutige Osmose-Diagnose stellen zu können, doch dem ist nicht so. Richtig ist aber, dass ein relativ feuchtes Laminat in der Regel weniger Festigkeit aufweist als ein identischer trockener Laminataufbau, somit mach eine Messung durchaus Sinn.

Viele unterschiedliche Geräte sind auf dem Markt, die mit teils unterschiedlichen Messverfahren Feuchtigkeit in einem Material aufspüren können. Im Prinzip wird dabei die Dichte eines Materials mit Ermittlung einer dielektrischen Leitfähigkeit bestimmt. Wasser im Laminat hat eine höhere dielektrische Leitfähigkeit (auch Permittivität genannt) als trockenes Laminat. Somit deuten hohe Messwerte auf größere Feuchtigkeit. Auch Geräte die den Widerstand der ausgesendeten Frequenzsignale im Impedanzverfahren messen kommen zum selben Ergebnis.

Jedes Laminat ist mehr oder weniger mit Wasser angereichert, im Überwasserbereich weniger, im Unterwasserbereich mehr. Somit kann man bei einem einigermaßen gesunden Schiff nur das Verhältnis von relativ trockenem zu relativ feuchtem Kunststoff messen, wird aber kein Ergebnis zu absoluten Werten bekommen, man kann also nicht feststellen, wie viel Milligramm Wasser pro Kilogramm GFK in ihm eingeschlossen ist. Die auf den Skalen der Geräte abgedruckten Prozentmesswerte sind nur relative aber keine absoluten Werte. Der Wassergehalt liegt in der Regel unter 2 Prozent, ein Verbundmaterial mit 30 Prozent Wasseranteil gibt es nicht.

Gemessen wird nicht nur Laminat. Wenn direkt auf der Innenseite einer GFK-Außenhaut ein Kabel liegt, wird das mitgemessen und erzeugt einen hohen Messwert, der auf dem Gerät angezeigt wird. Ebenso werden Schotte, Stringer, Bilgenwasser oder Tanks hinter der Außenhaut gemessen; jedenfalls bei Geräten mit großer Messtiefe. Unterschiedlich zu interpretieren sind Werte für unterschiedliche Laminatstärken, Qualitäten und Bauweisen. So ist beispielsweise ein Sandwichlaminat schon bei geringeren Werten geschädigt als ein Massivlaminat. All das gibt es zu bedenken, so dass an dieser Stelle geraten wird eher die optische und leicht materialzerstörende Prüfung zu wählen als mit einem Messgerät zu hantieren mit dem man nicht schon mindestens ein Dutzend Laminate mit nachweislich unterschiedlichem Feuchtegehalt durchgemessen hat.

Wenn man aber schon Erfahrung gesammelt hat, sollte man trotzdem einiges beachten:

Zunächst ist bei einer Feuchtemessung zu beachten, wann das Schiff an Land gestellt wurde. Direkt nach der Kranung ist der Rumpf feucht, das Laminat wird krank erscheinen. Nach ein paar Wochen in der Halle sieht es schon anders aus. Zu bedenken sind auch die Wetterbedingungen und das Hallenklima. Ist es feucht dort, wie kalt ist es, kommt es zu Kondensation auf der Außenhaut? Misst man dann den Unterschied zwischen vermutlich trockenem Überwasserlaminat und feuchterem Unterwasserlaminat bekommt man eine Idee von den Einflüssen des Raumklimas. Eine Unterwasserschiff-Laminatfeuchte von mehr als 30 Prozent über der des Überwasserschiffes ist bedenklich.

Wichtig ist auch die Außenhautbeschichtung zu beachten. Direkt nach dem Slippen kann im Antifouling sehr viel Wasser gespeichert sein, was zu großen Messwerten führt. Stark kupferhaltiges Antifouling kann ebenfalls zu deutlich überhöhten Werten führen. In beiden Fällen sollte man das Antifouling auf einer Referenzstelle komplett entfernen, so dass man auf dem blanken und trocken geriebenen Gelcoat den Feuchtegehalt feststellen kann, der für das Schiff relevant ist. Bei den anderen Messstellen korrigiert man dann die Werte entsprechend.

Um die gesamte Struktur richtig zu erfassen, ist es wichtig zu wissen, wie das Schiff von innen aussieht. Wo befinden sich die Schotte und Stringer, wo laufen Kabel, wo steht Wasser in der Bilge, wo ist die Maschine eingebaut, wo liegen die Motorfundamente?

Wenn das Unterwasserschiff mit einem Holzhammer, oder dem Griff des Stechbeitels abgeklopft wird, kann man an dem unterschiedlichen Klang gut eingrenzen wo Aussteifungen eingebaut sind. Mit dem Messgerät werden an den Stellen dann oft höhere Werte gemessen. Dort befindet sich aber keine osmotische Schädigung. Holzschotte bestehen aus Sperrholz und werden meistens und nicht ganz fachgerecht direkt auf die Außenhaut laminiert. Die Hirnkanten der Hölzer sind nicht versiegelt und nehmen mit der Zeit Feuchtigkeit auf, die durch die Außenhaut hindurch gemessen wird.

Ähnlich sieht es mit Stringern und anderen Hohlträgern aus. Im Laufe der Jahre ist immer wieder Wasser eindiffundiert und schlägt sich als Kondensat an der Oberfläche nieder. So sind Stringer oft feuchter als nebenliegendes Laminat.

Genauso verhält es sich mit Bodenwrangen und Motorfundamenten. Werden sie als Hohlträger gebaut, verhält es sich wie bei den Stringern, werden sie als Holzkonstruktion gefertigt und anschließend mit GFK umhüllt, wird man feststellen, dass das Holz mit der Zeit immer feuchter wird. Wasser dringt relativ leicht durch das Laminat in die Holzzellen und wird dort gespeichert. Der Weg wieder nach außen ist für das Wasser nicht so einfach, und so verharrt es innerhalb seiner Kunststoffummantelung und kann mit den Feuchtemessgeräten festgestellt werden.

Gute Messgeräte messen auch das Bilgenwasser im Schiff, das in diese Falle ja nichts mit krankhaft feuchtem Laminat zu tun hat. Auch Kabel oder ein in der Bilge vergessener Schraubenschlüssel können mitgemessen werden.

So ist es also wichtig bei der Feuchtemessung den Innenraum und den genauen Standort der Verbände und am besten auch deren Bauart zu kennen.

Dann wird von innen möglichst umfangreich eine Gegenprobe vorgenommen. Wenn der Messwert des Gerätes an einer Stelle von außen zum Beispiel 130 Punkte beträgt und von innen nur 110, so bedeutet es in der Regel, dass das Boot von außen nach innen durchfeuchtet ist. Ist es umgekehrt, so hat vermutlich über eine längere Zeit Wasser in der Bilge gestanden und das Schiff ist von innen nach außen durchfeuchtet. Wenn man innen misst, wird man auch die Verbände messen. Relativ normal und unbedenklich sind leicht höhere Werte als das umgebende Material. Weichen die Werte aber mehr als 20 bis 30 Prozent nach oben ab, deutet das auf eine Schwächung hin.

Es gibt viele unterschiedliche Feuchtemessgeräte

Feuchtemessung mit dem Sovereign-Gerät.

Feuchtemessung von innen

Abklopfen mit Stechbeitelgriff.

Fazit

Fasst man das oben gesagte zusammen, heißt das, dass feuchtes Laminat nicht unbedingt als Osmoseblase in Erscheinung treten muss, trotzdem aber die Struktur geschwächt hat. Andererseits bedeuten wenige kleine Osmoseblasen nicht unbedingt auf einen relevanten Osmoseschaden hin.

Konsequenz

In diesem Artikel würde es zu weit gehen die Unterwasserschiffsanierung einer geschädigten Yacht zu beschreiben. Es ging darum einen Schaden zu erkennen und seine Relevanz zu beurteilen.

Stellt man als Bootskäufer eindeutig eine hohe Laminatfeuchte fest, darf man zu Recht skeptisch sein. Im Zweifelsfalle sollte man den Bootskauf zurückstellen oder den Sachverständigen befragen. Entdeckt man auf einer Fläche von einem Quadratmeter des Unterwasserschiffes mehr als ein Dutzend Osmoseblasen oder die typischen Krater würde ich den Kauf ohne genaue Untersuchung durch einen Gutachter ebenfalls zurückstellen. Die fachmännische Reparatur ist aufwändig und teuer und die Chance, auf dem Bootsmarkt ein gleichartiges aber gesundes Schiff zu finden, ist groß. Wenn das fragliche Boot aber sonst außerordentlich attraktiv daher kommt und es obendrein zu einem außerordentlich günstigen Preis angeboten wird, lohnt es sich die Kosten einer Osmosesanierung dem Kaufpreis gegenzurechnen. Als Richtwert sollte man pro Meter Schiffslänge einen Betrag von 900 bis 1100 Euro zur Sanierung einplanen. Ungefähr ein Viertel davon sind Materialkosten. Wer sich fit fühlt, Erfahrung im Umgang mit GFK besitzt und eine Menge Zeit investieren kann, könnte sich in Eigenleistung somit die restlichen Dreiviertel dazuverdienen. Ein Sachverständiger berät auch in diesem Falle gerne über die Möglicheiten einer Sanierung in Eigenleistung.

Ein Bootseigner der sein Schiff noch behalten will aber einen Schaden festgestellt hat, sollte nicht gleich in Panik verfallen und sein Schiff stilllegen. Wenn es die letzten Jahre mit oder ohne Osmoseblasen seinen Dienst getan hat, wird es auch weiterhin zu nutzen sein. Allerdings würde ich vor einem größeren Hochseetörn den Schaden mit einem Fachmann zusammen genauer analysieren. Wenn dann eine größere Schwächung festgestellt wird sollte man dem Rechnung tragen und den Schaden reparieren oder weiter nur bei schönem Wetter segeln.

Wissen muss man auch, dass ein Osmoseschaden sich im Laufe der Zeit verschlimmert. Je länger man mit der Reparatur wartet, desto mehr Wasser gelangt in den Materialverbund und desto schwächer wird das Laminat. Irgendwann muss man handeln.

Feuchtemessgeräte

Es sind eine Menge Feuchtemessgeräte auf dem Markt die speziell für Verbundwerkstoffe geeignet sein sollten. Sie unterscheiden sich insbesondere durch die Messtiefe und die praktische Handhabung. Der Autor arbeitet als Sachverständiger seit Jahren mit drei verschiedenen Geräten, die hier kurz vorgestellt sein sollen.

Sovereign von Quantum Marine

Der Mercedes unter den Messgeräten. Es kostet fast 1000 Euro und macht allein von der Größe her Eindruck, ist deshalb aber auch von der Handhabung her nicht einfach. Neben der gewünschten Funktion der Feuchtemessung kann man Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Taupunkt bestimmen. Man kann es auf eine Skala umstellen, mit der sich Holzfeuchte zum Beispiel des Teakdecks annähernd bestimmen lässt. Interessant sind auch zwei verschieden tiefe Messbereiche. So misst es im flachen Bereich tatsächlich nur die Oberfläche bis in maximal zwei Laminatschichten und im tiefen Bereich durchdringt es ein Laminat vollständig. Es gibt eine Skala mit Leuchtdioden zur Groberkennung des Zustandes und eine Digitalanzeige mit einer Einteilung von 0-100.

Das Sovereign Gerät im Einsatz

Tramex Skipper

Ein mittelpreisiges Gerät, einfach zu bedienen mit einer analogen Anzeige des Messwertes.

In der Dunkelheit einer Bilge lässt sich die Skala allerdings nicht ablesen.

Wie alle vorgestellten Geräte besitzt es einen akustischen Alarm, der Signal gibt, wenn ein bestimmter Wert überschritten wird. Das ist praktisch, wenn man das Gerät schlecht einsehen kann. Die Eindringtiefe reicht für die meisten Laminate aus und das Gerät ist handlicher zu bedienen als das mit den vielen Zusatzfunktionen ausgestattete Sovereign.

Protimeter Aquant

Ein sehr preisgünstges Gerät, das für ungefähr 200 Euro zu haben ist.

Ein praktisches Gerät, weil es leicht zu handhaben ist und neben einer Digitalanzeige von 0 bis 1000 eine LED-Anzeige besitzt, die grün für in Ordnung, gelb für kritisch und rot für defekt anzeigt. So ist es auch bei ganz schlechten Lichtverhältnissen gut zu nutzen. Die akustische Anzeige ist die beste der vorgestellten Geräte, da sie ähnlich wie bei einem Geigerzähler arbeitet. Sie fängt an zu klicken, wenn ein kritischer Feuchtwert überschritten wird. Je schneller der Klick, desto höher der Messwert. Bei einem hellen Dauerton ist das Laminat massiv geschädigt. So kann man auch in den dunkelsten Bereichen ein ordentliches Messergebnis erzielen.

Das Protimeter Aquant im Einsatz.

Der Autor arbeitet bei der Untersuchung eines Laminates allerdings immer mit mindestens zwei Geräten, um die unterschiedlichen Charakteristika und Messergebnisse der Geräte miteinander zu vergleichen und in Abwägung derselben zu einem sicheren Ergebnis zu gelangen.