Osmoseschäden erkennen
Wir haben zwar konstatiert, dass osmotische Schädigungen grundsätzlich nicht zuverlässig aussagen, inwieweit die Festigkeit des Bootes geschwächt ist, dass sie aber grundsätzlich negativ zu bewerten sind. So ist die am häufigsten gestellte Frage beim Erwerb einer Yacht „Hat das Schiff Osmose?“. Neben einem Dutzend anderer Aspekte alleine im Unterwasserschiff – darauf kommen wir in der nächsten Folge noch zu sprechen – geht das Schreckgespenst der Osmose ungebändigt um in der weltweiten Seglerschaft. So widmen wir ihm zunächst die ihm gebührende Aufmerksamkeit, wobei wir den Begriff „Osmose“ weiter als Vereinfachung einer „relevanten osmotisch bedingten Laminatschädigung“ nutzen.
Wie also erkennt man Osmose?
Wenn jemand, der ein Schiff kaufen, will sich ein Boot anschaut, ist die Chance groß, dass das Schiff an Land steht, vielleicht auch schon lange Jahre, bestenfalls in einer Bootshalle.
Verkäufer sind – zwar nicht statistisch belegt aber der Beobachtung des Autors nach – zu mehr als 40 Prozent zu alt gewordene Wassersportler, die sich aus gesundheitlichen Gründen von Ihrem guten Stück trennen müssen, oder es sind Hinterbliebene, die aus einer Erbmasse heraus das Boot veräußern.
So steht das Schiff hoch und trocken was zunächst gut ist, weil ja nichts weiter mit ihm passieren kann, zum Aufspüren von Osmose ist es aber ein Problem.
Am einfachsten erkennt man Osmose direkt nach dem Auskranen, wenn das Wasser noch vom Antifouling tropft. Osmoseblasen werden deutlich sichtbar, die großen wie die kleinen, und wenn man gründlich schaut, wird man sie alle erfassen können. Gesetz den Fall man fotografiert sie alle, sind sie nachvollziehbar festgehalten und ein Bootseigner kann, so er nicht spontan eine Osmosesanierung durchführt, die Verwandlung seines Unterwasserschiffes in einen Blasenteppich über einen längeren Zeitraum dokumentieren.
Zu mindestens bei einer beginnenden Osmose werden sich die Blasen zurückbilden. Das fängt schon nach ein paar Minuten mit dem Antrocknen der Antifoulingfarbe an und ist einige Wochen nach dem Einlagern beendet. Als Bootseigner kann man dann noch einmal das Unterwasserschiff fotografieren. Das Prozedere kann man ein paar Saisons wiederholen und wird dann vermutlich feststellen, dass die Blasen mehr und größer werden und sich bis zum Saisonbeginn eventuell nicht mehr zurückgebildet haben. Als Gedächtnisstütze mag dann die Fotodokumentation herhalten.
Spätestens in diesem Stadium ist der Zeitpunkt erreicht, an dem man eine gründliche Sanierung einleiten muss.
Wenn aber ein Käufer, der das oben beschriebene Boot zum ersten Mal sieht, sich das Unterwasserschiff des längere Zeit an Land liegenden Bootes anschaut, wird er einen Osmoseschaden auf den ersten Blick nicht feststellen, weil ja keine Blasen da sind. Keine Blasen bedeutet also nicht keine Osmose. Angenommen der unbedarfte Mann kauft gutgläubig das blasenfreie Boot wird er im nächsten Herbst erschreckt Osmoseblasen erkennen.
Eine weitere Hürde zum Erkennen der Blasen ist dickes Antifouling. Alte Schiffe sind meist von millimeterdicken Antifoulingschichten bedeckt, die erstens eine sehr unebene Oberfläche schaffen und zweitens keinen direkten Blick auf die Oberfläche des Gelcoats erlauben. Besonders skeptisch kann auch ein Bootskäufer sein, wenn diese dicken Schichten mit einer neuen Schicht Farbe übermalt ist.
Somit lässt sich zusammenfassen, dass man zur Beurteilung eines Osmoseschadens ein Boot am Besten kurz nach dem Kranen anschaut. Wenn ein längerer Zeitraum zwischen dem Einlagern und der Besichtigung liegt, muss man besonders gründlich hingucken. Dafür ist gutes Licht erforderlich. Man achtet dabei auf kleine runde meist dunkle Verfärbungen des Antifoulings. Hat man solch eine Stelle gefunden, kann man sie mit Kreide einkreisen und nach weiteren Auffälligkeiten suchen. Wenn dann ein Dutzend Kandidaten eingekreist worden sind, kann man sich an eine genauere Untersuchung machen. Zunächst nimmt man dafür einen spitzen Gegenstand, wie einen Marlspieker oder die Ecke eines Stecheisens und drückt in die Mitte dieser Stelle. Fällt man mit dem Werkzeug dann spürbar, also 0,5-1mm oder tiefer in das Material, liegt eine Schädigung der Gelcoatschicht und des darunter liegenden Laminats vor. Wenn man sich nicht sicher ist, wie viel Druck notwendig ist um eine Vertiefung zu detektieren, kann man an nebenliegenden vermeintlich gesunden Stellen probieren und dann an den eingekreisten Stellen den Eindrückversuch wiederholen. Als nächstes kann man an den verdächtigen Stellen im Randbereich das Antifouling und einen eventuell vorhandenen Primer abschaben. Das geht mit dem beim Eindrücken verwendeten Stechbeitel ganz gut. Mit einer Lupe betrachtet man dann den Unterschied des glatten und gesunden Materials und dem kleinen Krater, den man aufgedrückt hat. Wieder ist es hilfreich direkt neben dem kleinen Krater an einer gesunden Stelle zum Vergleich das Werkzeug mit dem selben Druck einzudrücken wie er beim „Kraterbohren“ aufgewendet wurde. Wenn also ein sichtbarer Unterschied festzustellen ist, kann man davon ausgehen, dass Osmose vorhanden ist.
Eine weitere Hilfe zum Auffinden von Fehlstellen ist mit dem Licht einer starken Taschenlampe, fast parallel zur Oberfläche, das Unterwasserschiff Stück für Stück auszuleuchten. So lassen sich auch kleinste Unebenheiten aufspüren. Hat man eine verdächtige Stelle gefunden, verfährt man wie im ersten Falle.
Eine anderer Untersuchungsmethode ist das Antifouling anzuschleifen. Dafür nimmt man sich ein Stück Schleifpapier zwischen 80er und 240 Körnung und einen absolut ebenen und harten Schleifklotz und beschleift leicht die Oberfläche, am besten dort, wo man auf Grund von Verfärbungen oder Unebenheiten Grund zum Misstrauen hat. Osmoseblasen, die sich zurückgebildet haben, sind in der Regel nicht vollständig in die selbe Ebene zurückgewichen wie vor einem Schaden. Meistens bleibt eine leichte Unebenheit zurück, die in dem sich abzeichnenden Schleifbild sichtbar wird. Auch hier arbeitet man dann wieder mit dem Stechbeitel nach.
Wenn auf diese Art Krater entdeckt werden, die deutlich nachvollziehbar tiefer als einen Millimeter reichen und wenn mehr als ein Dutzend solcher Krater pro Quadratmeter gefunden werden, dann kann man von einem eindeutigen Osmoseschaden sprechen.
Aber es gibt auch Schädigungen die nicht rund oder oval als Krater oder Blase auftreten sondern das Gelcoat als Placke direkt von der Oberfläche des Laminats gelöst haben. Sie haben oftmals osmotische Ursachen, teilweise deuten sie aber auch von Verarbeitungsfehlern beim Bau oder auf eine schon einmal geflickte Stelle hin. Man erkennt sie ähnlich wie oben beschrieben. oder beim Abklopfen des Unterwasserschiffes, wie weiter unten beschrieben.